12. September 2022 | 07:00 Uhr
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"Das Kapitel Reisebüro ist für mich abgeschlossen"

Vater Theo Kreusch führte das Klever Reisebüro über Jahrzehnte, dann übernahm Tochter Ariane Kreusch-Duif (Foto). Sie ist seit 35 Jahren am Counter im familieneigenen Betrieb tätig, will aber nicht mehr. In dem Derpart-Reisebüro der Familie Kreusch geht Ende Oktober nach 70 Jahren das Licht aus.

Kreusch-Duif Ariane neu 2 Foto Klever Reisebüro

Seit 2011 ist Ariane Kreusch-Duif die Chefin im Klever Reisebüro

Ariane Kreusch-Duif ist passionierte Reiseverkäuferin und sozusagen am Counter der Eltern aufgewachsen. Die heute 54-Jährige hat vor 35 Jahren ihre Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau begonnen und seitdem nichts anderes gemacht. Ihr Herzblut hängt also am Reisebüro, das das erste in Kleve war. Mittlerweile sitzt sie jedoch allein in der Großen Straße.

"Früher waren wir hier mit fünf Mitarbeitern zugange", erzählt sie. Doch seit dem Beginn der Corona-Pandemie sei nach und nach das Personal abgewandert. Das könne man den Mitarbeitern auch nicht verdenken, sie seien ja lange in Kurzarbeit gewesen. Dann seien Kollegen in Elternzeit gegangen, andere in Rente und sie alle wurden nicht mehr ersetzt. "Wir wussten ja selbst nicht, wie es weitergeht", sagt Kreusch-Duif.

Corona sorgt weiter für Unsicherheit
"Wir haben schon viele Krisen überstanden mit unserem Geschäft", sagt sie. Sie erinnert sich an 9/11, als kaum jemand mehr ins Flugzeug steigen wollte. Dann habe man am Counter eben Selbstfahrerreisen oder Bahnreisen verkauft. Und als etwa Ägypten wegen Terroranschlägen gemieden wurde, konnte sie umsteuern auf andere Sonnenziele. Das seien aber alles zeitlich und regional begrenzte Ereignisse gewesen.

"Doch in der Corona-Zeit hat sich für mich gezeigt, dass es so nicht weitergeht", sagt die 54-Jährige. Die Unsicherheit sei immer noch im Hinterkopf, bei ihr und den Kunden. "Woher weiß ich denn, ob die Arbeit, die ich am Counter heute leiste, morgen noch Bestand hat?", sagt Kreusch. Alles müsse mehrfach angefasst werden. "Heutzutage gehen viele Buchungen flöten", sagt sie.

Digitalisierung führt zu Mehrarbeit
Es fehle vielen auch an Wertschätzung, was beim Reiseverkauf alles dahinterstecke – das sei eben mehr als nur Flug und Hotel buchen. Es gebe ja ein Ladenlokal, Strom, Miete, Personal, Software, Lizenzen, Versicherungen und vieles mehr, doch das sähen viele nicht. Die Leute verglichen mit Preisen im Internet und stornierten dann. "Im Gegensatz zu den Lufthansa-Piloten würde doch keiner merken, wenn ich streike", sagt sie. "Es gibt nur ganz wenige Kunden, die mich in der Krise gefragt haben: 'Wie kriegen Sie jetzt ihr Geld?‘."

Und hinzu komme, dass die Digitalisierung in die falsche Richtung laufe. "Früher gab es mit Amadeus ein System für alles, jetzt kocht wieder jeder sein eigenes Süppchen", sagt Kreusch-Duif. "Und wir im Reisebüro müssen das ausbaden". Wofür sie früher zwei Klicks bei Bahn, Veranstaltern oder Airlines gebraucht habe, sei nun zeitaufwendig und kompliziert geworden. Als zwei Beispiele von vielen nennt sie Tickets für Rail & Fly sowie E-Coupons von der Bahn. "Alles modern und papierlos, aber wenn die Leute das nicht verstehen, kommen sie zu uns an den Counter", sagt sie.

Kein Käufer in Sicht
Dennoch sei es ihr nicht leichtgefallen, das Reisebüro aufzugeben. Einen Käufer gibt es nicht. Ihr Vater Theo hätte gern gesehen, dass der Familienbetrieb weitergeführt worden wäre. Die Entscheidung habe sie mit ihm auch lange besprochen und der heute 86-Jährige verstehe sie. "Ende Oktober ist Schluss", sagt sie mit gemischten Gefühlen. Was sie danach machen wolle, wisse sie noch nicht. Das Ganze müsse sie erst einmal verdauen, "da kann ich nicht gleich was Neues anfangen". Es würden ja überall Veräufer gesucht, da sollte es kein Problem sein wieder durchzustarten. "Aber nicht mehr im Reisebüro, das Kapitel ist zu Ende".

Sabine Schreiber-Berger

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