Bentour
23. August 2022 | 18:03 Uhr
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Was für Flextarife spricht und was dagegen

Sind Flextarife vor allem ein unnötiger Quell für kostenlose Mehrarbeit oder taugen sie weiterhin dazu, Kunden von der Buchung von Pauschalreisen zu überzeugen? In dieser Frage bleibt das Meinungsbild gespalten. Auch gestandene Touristiker sind sich keineswegs einig.

Storno Stornierung Foto iStock EuE-Pictures

Flextarife machen Stornos und Umbuchungen bis kurz vor Reisebeginn leichter

Die Reisebranche streitet weiter über die Sinhaftigkeit der in der Corona-Pandemie von Veranstaltern aufgelegten Flextarife mit der Möglichkeit, Reisen bis zwei oder drei Wochen vor der Abreise kostenlos oder gegen eine kleine Gebühr zu stornieren oder umzubuchen. Dass das Thema nach wie vor die Gemüter bewegt, unterstreicht auch die starke Beteiligung an der aktuellen Reise-vor9-Umfrage dazu: Deutlich mehr als 500 Reiseprofis, nahmen daran teil; viele von ihnen nutzten die Kommentarfunktion.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Reiseveranstaltern den Flextarifen deutlich positiver gegenüberstehen als Vertreter des Vertriebs. Auch unter letzteren ist die Zahl der Befürworter und Gegner einer Beibehaltung der Flextarife beinahe ausgeglichen, während eine deutliche Mehrheit der Befragten aus dem Veranstaltergeschäft an den aktuellen Regelungen festhalten will.

Nützliches Instrument oder viel zu günstig?

Exemplarisch dafür stehen die Positionen prominenter Branchenvertreter wie Bentour-Chef Deniz Ugur und RTK-Chef Thomas Bösl. Ugur machte unlängst im Reise vor9 Podcast deutlich, dass er nicht an eine Beendigung der Flex-Option denkt. Der Tarif, der für einen Aufpreis von 29 Euro kostenlose Umbuchungs- und Stornomöglichkeiten bietet, werde sehr gut angenommen, sagt Ugur. Dass Reisen seit dem Beginn der Corona-Pandemie nicht mehr so einfach und sicher planbar seien wie zuvor, löse bei den Kunden den verständlichen Wunsch nach Flexibilität aus. Zwar gebe es auch Urlauber, die sich die Flexgebühr sparten, aber ein großer Teil der Kundschaft mache davon Gebrauch.

Bösl, Chef der Reisebürokooperation RTK und Sprecher des Kooperationsverbundes QTA, räumt zwar ein, dass die Flextarife in der Hochzeit der Pandemie nötig gewesen seien, um die verunsicherte Kundschaft zu Buchungen zu bewegen: "Das hat uns geholfen", sagt er. Doch mittlerweile seien durch Corona bedingte Unsicherheiten kein dominierendes Thema mehr. Wenn heute kurzfristig storniert werde, seien meist andere Gründe dafür ausschlaggebend. Das verursache bei den Reisebüros zusätzlich zum grassierenden Flugchaos Mehrarbeit, die auch dann nicht angemessen entlohnt werde, wenn sich der Veranstalter den Aufschlag für den Flexpreis mit dem Reisebüro teile.

Wer storniert wann und warum?

"Die Höhe des Zuschlags ist zu gering", argumentiert Bösl. Mit den aktuellen Flex-Optionen verkaufe sich die Pauschalreise unter Wert, sagt er. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass man auf Buchungsportalen Einzelleistungen oft mit kurzfristigen Stornomöglichkeiten buchen könne. "Wir sollten den Zuschlag für den Flextarif anpassen und teurer machen“, ist er überzeugt. Flexibilität müsse ihren Preis haben.

Die Einschätzungen dazu, aus welchen Gründen Kunden von ihrer kurzfristigen Storno-Option Gebrauch machen, sind in der Branche sehr unterschiedlich. So hält Ugur das wirtschaftliche Risiko für überschaubar. Und auch manche Reisebüros berichten, die Kundschaft nutze die erweiterten Storno- und Umbuchungsmöglichkeiten kaum. Dagegen schreiben andere Umfrageteilnehmer, es gebe Kunden, die gleich mehrere Reisen parallel buchten. Die Buchung werde nicht mehr als verbindliche Zusage wahrgenommen – was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass die Kunden ihrerseits in diesem Sommer oft nicht sicher sein konnten, dass die gebuchte Flugreise tatsächlich so verlief, wie ursprünglich geplant.

Was passiert bei Preiskapriolen?

Ein weiteres Risiko der Flextarife könnte dann zum Tragen kommen, wenn es in den kommenden Monaten oder im nächsten Jahr zu ausgeprägten Preiskapriolen kommt. Zwar ist zunächst einmal davon auszugehen, dass die Preise für den Winter und den folgenden Sommer aufgrund höherer Kosten bei Hoteliers und Airlines weiter steigen. Aber was geschieht, wenn die Nachfrage einbricht, weil viele Bundesbürger wegen explodierender Energiepreise und der hohen allgemeinen Inflation nicht auch noch mehr Geld für den Urlaub ausgeben können oder wollen?

Die Erfahrung lehrt, dass es in solchen Situationen mit der viel beschworenen Preisdisziplin nicht mehr weit her ist und irgendwer immer die Nerven verliert, wenn in gewöhnlich buchungsstarken Phasen nichts passiert. Dann setzt eine Abwärtsspirale ein, die Storno und Neubuchung aus Kundensicht lukrativ machen könnte, selbst wenn sie dafür 30 bis 60 Euro berappen müssten. Noch wollen sich die meisten in der Branche nicht öffentlich zu einem solchen Szenario äußern. Gleichwohl hat gerade die jüngere Vergangenheit bewiesen, dass es sich lohnt, in Worst-Case-Szenarien zu denken.

Christian Schmicke

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