So stehen die Chancen für eine Senkung der DRSF-Beiträge
Immer vehementer fordern Reiseveranstalter eine deutliche Senkung der Beiträge an den Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF), die aktuell bei einem Prozent des Pauschalreiseumsatzes liegen. Sie haben gute Gründe, wie aktuelle Zahlen zeigen, die Reise vor9 vorliegen.
Als der DRSF 2021 gegründet wurde, war es das Ziel, in dem Fonds 750 Millionen Euro anzusammeln, um im Fall einer Pleite eines großen Veranstalters Kundengelder für Pauschalreisen abzusichern. Das war eine Konsequenz aus der Pleite von Thomas Cook. Als der Veranstalter 2019 in die Insolvenz ging, musste der Bund für einen erheblichen Teil der Ausfälle aufkommen, weil die bei 110 Millionen Euro gedeckelte Ausfallversicherung für den entstandenen Schaden nicht ausreichte.
Wie sich nach der Pleite von FTI im Juni zeigt, ist das Konzept grundsätzlich aufgegangen, auch wenn nachvollziehbarerweise immer mal wieder Kunden darüber klagten, ihr Geld nicht schnell genug zurückzuerhalten. "Bewährungsprobe gelungen" attestiert denn auch DRV-Präsident Norbert Fiebig, dessen Verband mit Abstand größter Gesellschafter des DRSF ist, dem Fonds.
Zielgröße erreicht – und dann?
In der Zwischenzeit wurde die Zielmarke für das Volumen des Fonds erhöht. Sie liegt dem Vernehmen nach aktuell bei 1,15 Milliarden Euro. Rechnerisch ergibt sich die Summe aus dem Ziel, die Pleite sowohl eines großen als auch eines mittelgroßen Veranstalters binnen eines Jahres abzusichern.
Nach aktuellen Zahlen, die Reise vor9 vorliegen, hat der Fonds auch das angehobene Volumenziel erreicht. Demnach ergibt sich aktuell eine Summe von rund einer Milliarde Euro aus dem Fondsvermögen und Sicherheiten, die die Veranstalter hinterlegt haben. Hinzu kommt ein Volumen von mehr als 300 Millionen Euro an sogenannten unwiderruflichen Krediten – Geld also, das der Fonds nicht hat, auf das er im Fall der Fälle aber zugreifen könnte. Rechnet man diese Kredite heraus, dann würden dem Fonds noch rund 150 Millionen Euro zum Erreichen der erforderlichen Gesamtabdeckung fehlen.
Wenn die Veranstalter im November erneut ein Prozent ihrer Pauschalreiseumsätze in den Fonds einzahlen, wird die Zielmarke indes deutlich überschritten – was unweigerlich die Frage aufwirft, ob und wie lange es beim aktuellen Beitragssatz bleiben muss. Schließlich sind aus Veranstaltersicht zusätzlich zu dem einen Umsatz-Prozent jährlicher Beiträge weitere sechs bis neun Prozent ihres Jahresumsatzes dauerhaft in dem Fonds gebunden.
Kostentreiber für Pauschalreisen
Prominente Akteure wie Ingo Burmester, CEO der Dertour Group, oder Alltours-Vertriebsgeschäftsführer Georg Welbers fordern daher längst eine Absenkung der Beiträge. Diese belasteten nicht nur die Bilanzen der Unternehmen, sondern verteuerten Pauschalreisen auch gegenüber Einzelleistungen, argumentieren sie.
Grundsätzlich sieht das auch der DRV so. Allerdings bekräftigt Präsident Fiebig erst einmal, dass es ungeachtet der FTI-Pleite keine Erhöhung der Beiträge geben werde. Zugleich sagt er, der Fonds "sollte bald in der Lage sein, die jährlichen Entgelte der Veranstalter erkennbar unter ein Prozent zu senken". Es müsse "erkennbare Absenkungen" geben.
Keine Bewegung im Ministerium
Bundesjustizminister Marco Buschmann, dessen Ministerium als Aufsichtsbehörde für den DRSF fungiert, erklärte auf dem DRV-Hauptstadtkongress indes lediglich, dass sowohl das Entgelt als auch die Sicherheitsleistung stabil blieben sollten und wertete diese Aussage als gute Nachricht. Dass seine Behörde also von sich aus eine Beitragssenkung vorantreibt, erscheint damit unwahrscheinlich.
Obwohl ihr Verband VUSR eigentlich keine Interessenpolitik für Veranstalter betreibt und dies nach ihrem Willen auch künftig nicht tun soll, mischte sich auch dessen Vorsitzende Marija Linnhoff via Linkedin in die Debatte ein. Sie wirft dem DRV vor, gegenüber dem Ministerium viel zu zögerlich zu agieren, obwohl er fast drei Viertel der Anteile am Fonds halte. Sie glaubt, dass die Tatsache, dass das Bundesjustizministerium die Aufsicht über den DRSF hat, diesen nicht davon abhalten sollte, selbst die Initiative für eine Beitragssenkung zu ergreifen. Mit der Übernahme der "faktischen Leitung" des Fonds überdehne dieses seine gesetzlichen Kompetenzen, schreibt Linnhoff. Sie habe zuletzt Kontakt mit dem Ministerium aufgenommen, "um nachzufragen, warum es in bestimmten Angelegenheiten so hartnäckig agiert". Die Antwort sei "überraschend" gewesen, fügt sie vieldeutig hinzu.
Eine Frage der Zeit
Was also ist in puncto Beiträge zu erwarten? Für eine kurzfristige Beitragssenkung dürfte der Zug wohl abgefahren sein. Mittelfristig dürfte es allerdings schwierig sein, das aktuelle Beitragsniveau zu rechtfertigen. Die verbliebenen Konzerne sind wirtschaftlich solide aufgestellt und die großen Mittelständler unter den Veranstaltern erst recht. Eine neue Wendung könnte die Angelegenheit indes nehmen, sollten tatsächlich auch Einzelleistungen absicherungspflichtig werden. Denn dann müsste das Fondsvolumen weiter aufgeblasen werden. Doch erscheint dieses Szenario eher unwahrscheinlich, wie selbst Verfechter des Ansatzes hinter den Kulissen einräumen.
Christian Schmicke