8. Juli 2019 | 07:00 Uhr
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Reisebüros im DRV kritisieren Bahn-Provision scharf

Das neue Modell, das Anfang 2020 startet, werde viele Büros veranlassen, ihre Bahnlizenz zurückzugeben, glaubt Joachim Horn, Vorstand mittelständische Reisemittler. Insgesamt senke die Bahn die Provision weiter, versprochene Bonusprovisionen seien an zu viele Restriktionen geknüpft.

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Die Bahn verkauft immer mehr Tickets online, die Provision für Reisebüros sinkt weiter

Seit Jahren senkt die Bahn in schöner Regelmäßigkeit die Provision für Reisebüros und parallel dazu nimmt die Zahl der DB-Agenturen ab. Dabei ließ die Bahn zuletzt keinen Zweifel daran, dass sie Reisebüros nur dort zu unterstützen gewillt ist, wo diese eine wichtige Rolle für den Verkauf von Fahrkarten spielen – wie zu Beispiel an Bahnhöfen ohne eigenes DB Reisecenter und in deren unmittelbarer Umgebung. Auch beim neuen Provisionsmodell, das füer die vwerbliebenen 2.000 Bahnagenturen von 2020 an für drei Jahre gelten sollt, wird die Strategie, die Spreu vom Weizen zu trennen, deutlich.

Zahl der Bahnagenturen wird weiter sinken

Demnach können Reisebüros an 900 "relevanten Bahnhöfen" ein Incentive von vier Prozent einstreichen und maximal zehn Prozent Provision erreichen, wenn sie dafür auf Serviceentgelte verzichten. Um auf diesen Satz zu kommen, müssen sie allerdings 70.000 Euro pro Monat mit Bahntickets umsetzen. Das ruft die mittelständischen Reisemittler im DRV auf den Plan. Vorstand Joachim Horn kritisiert: "Das neue Provisionsmodell der Bahn wird zahlreiche Reiseagenturen veranlassen, ihre Bahnlizenz zurückzugeben." Damit werde "für viele Kunden die persönliche und kompetente Beratung der Experten wegfallen, was aufgrund des komplizierten Preissystems auch zu höheren Reisekosten führen wird", erklärt Reisebüroinhaber Horn weiter.

"Provision erneut gesenkt"

Insgesamt senke die Bahn die Provisionszahlungen für Reisebüros mit DB-Agentur erneut, so dass der Verkauf von Bahntickets nach betriebswirtschaftlichen Überlegungen "kaum noch darstellbar" sei. Im Mittelpunkt des neuen Modells steht der Fernverkehr. Zwar kündige die Bahn hier Provisionen von bis zu zehn Prozent an, diese seien jedoch an zahlreiche Restriktionen geknüpft. Insbesondere das neue Incentive Fernverkehr, das unabhängig vom Umsatz eine Bonusprovision in Höhe von vier Prozent verspricht, sieht Horn kritisch. So dürften die Agenturen unter anderem kein Service-Entgelt für die Beratung und den Verkauf von Bahntickets erheben. Den Verzicht auf Service-Entgelte zu "belohnen", ist in Horns Augen zumindest irritierend. "Es stellt sich die Frage, warum Reisebüros überhaupt noch Bahnfahrkarten verkaufen sollten, wenn damit kein Geld mehr zu verdienen ist", sagt er. Immerhin habe die Beratungsintensität aufgrund der komplexen Preisstruktur deutlich zugenommen. Darüber hinaus komme lediglich eine verschwindend geringe Anzahl an Reisebüros überhaupt in den Genuss des Incentive Fernreisen, da zum einen der Gebietsschutz für die DB-eigenen Reisezentren gelte und das Reisebüro maximal 500 Meter vom Bahnhof entfernt gelegen sein dürfe.

Breite des Vertriebs wird ausgedünnt

Auch wenn die Bahn beteuere, Beratung, Verkauf und Service an den sogenannten "relevanten Bahnhofsstationen" zu sichern, werde insgesamt die anerkannt gute Qualität der Beratung im Reisebüro gegen den Online-Verkauf ohne Beratung getauscht. Dies vor dem Hintergrund, dass die Kundenzufriedenheit beim Fahrkartenverkauf im Reisebüro deutlich am höchsten sei im Vergleich zum Kauf in den DB-eigenen Reisezentren oder im Internet. Im Übrigen gebe es im Online-Auftritt der Deutschen Bahn keine individuellen Angebote für Gruppen oder für Reisen ins Ausland. Darüber hinaus sei geplant, bis zum Jahreswechsel eigene Reisezentren an verschiedenen Standorten aufzugeben. Diese Entwicklung ist aus Sicht von Horn weder kundenorientiert noch zukunftsträchtig und auch nicht nachvollziehbar. "Das Nachsehen haben nicht nur die vielen älteren Reisenden“, erklärt Horn. „Vermehrt kommen Familien ins Reisebüro ebenso wie junge Menschen. Gerade bei Reisen ins Ausland oder wenn der Ausgangspunkt der Reise in einem verkehrstechnisch schlecht angebundenen Gebiet liegt, setzen sie auf die Beratung im Reisebüro", so der Reisebürochef. Zudem seien auch mobilitätseingeschränkte Reisende vielfach auf persönlichen Service angewiesen.

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