Aida nach Reiseabsagen zu Schadenersatz verurteilt
Das Landgericht Rostock hat Kunden von Aida Cruises wegen zweier abgesagter Reisen Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreuden zugesprochen. Hat das Urteil Bestand, könnte das für die Branche Folgen haben.
Der Fall, zu dem das Urteil am 18. Oktober gesprochen wurde, ist komplex. Ein Ehepaar hatte insgesamt zwei Reisen bei Aida Cruises gebucht, wobei zunächst im März 2022 eine zweiwöchige Kreuzfahrt im Indischen Ozean für den Zeitraum vom 7. bis zum 21. März 2023 geplant war. Diese Reise sagte Aida Cruises am 14. Juni 2022 aufgrund von Vorgaben der örtlichen Behörden ab und erstattete den vollständigen Reisepreis an die Kunden zurück. Daraufhin buchten die Eheleute eine zweite Schiffsreise für den Zeitraum vom 27. Februar bis zum 12. März 2024 ins selbe Reisegebiet. Etwa einen Monat vor dem geplanten Beginn dieser zweiten Reise sagte Aida Cruises die Reise erneut ab und begründete dies mit der Sicherheitslage im Roten Meer, insbesondere der Gefahr von Angriffen der sogenannten Huthi-Rebellen auf die dortige Schifffahrt. Den bereits gezahlten Reisepreis erstattete die Reederei den Klägern daraufhin wiederum in voller Höhe zurück.
Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreuden
Die Kunden klagten dagegen, weil sie der Auffassung waren, dass ihnen über die Rückzahlung des Reisepreises hinausgehend – jeweils hinsichtlich beider Reiseabsagen auch ein Anspruch auf Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreuden zustehe. Dagegen wandte die Reederei hinsichtlich der ersten abgesagten Reise ein, dass diese mehrere Monate vor dem geplanten Reisetermin und damit so frühzeitig abgesagt worden sei, dass ein Anspruch wegen entgangener Urlaubsfreunden ausscheide. Die Absage sei aus Kundensicht zwar ärgerlich, aber es sei noch keine erhebliche Beeinträchtigung zu erkennen.
Mit Blick auf die zweite Reiseabsage argumentierte Aida Cruises, dass die zur geplanten Reisezeit bestehende Sicherheitslage ein außergewöhnliches Ereignis darstelle, das es gerechtfertigt habe, die Reise abzusagen, ohne dass die davon betroffenen Passagiere Schadensersatz verlangen könnten.
Einmal zehn, einmal 50 Prozent
Das Landgericht sprach den Klägern nun einen anteiligen Schadensersatz zu beiden Reiseabsagen in unterschiedlicher Höhe zu. Es billigte den Klägern für die erste abgesagte Reise einen Schadensersatzanspruch von zehn Prozent des ursprünglichen Reisepreises zu und entschied hinsichtlich der zweiten abgesagten Reise auf eine Quote von 50 Prozent.
Zur Begründung führte es aus, dass die erste Reise bereits frühzeitig, nämlich bereits drei Monate nach der Buchung und neun Monate vor der Reise, abgesagt worden war, so dass sich die Vorfreude der Kläger auf diese Reise noch nicht habe „verfestigen“ können.
Hinsichtlich der zweiten Reise bewertete das Gericht die Sachlage insoweit anders, als dass die damalige Sicherheitslage im Roten Meer prinzipiell ein Ereignis gewesen sei, das so außergewöhnlich und nicht planbar war, dass es die Absage von Kreuzfahrten grundsätzlich rechtfertigen konnte. Das gelte aber nur dann, wenn die Sicherheitslage sich auch unmittelbar auf die im Streit stehende Reise auswirke.
Unternehmerische Entscheidung statt außergewöhnlichem Ereignis
In diesem Fall sei jedoch zu beachten, dass die Reise nicht im Roten Meer oder sonst in einer besonders gefährdeten Region stattfinden sollte, sondern in einem Teil des Indischen Ozeans, der nicht von besonderen Gefährdungen betroffen war, so das Gericht. Die Begründung der Reederei zur Absage der konkreten Reise habe darauf beruht, dass das betroffene Kreuzfahrtschiff bei planmäßiger Durchführung der Reise nicht mehr rechtzeitig für die Durchführung einer gesonderten Anschlussreise über das Rote Meer und den Suezkanal in das Mittelmeer hätte zurückfahren können, sondern wegen der Gefährdungslage zeitraubend um die Südspitze Afrikas fahren musste. In diesem Fall hätte die Anschlussreise abgesagt werden müssen.
Nach Auffassung des Landgerichts liegt bei einer solchen Konstellation kein außergewöhnliches Ereignis vor, das die Absage der Reise rechtfertigt. Es handele sich vielmehr um eine unternehmerische Entscheidung der Reederei, die sich dafür entschieden habe, die im Mittelmeer geplante Anschlussreise rechtzeitig beginnen zu lassen und die von den Klägern gebuchte Reise dafür abzusagen. In einem solchen Fall seien Ansprüche auf Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreuden gerechtfertigt.
Aida legt Berufung ein
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Aida Cruises teilte Reise vor9 auf Anfrage mit, man befinde sich in der Berufung. "Die Begründung verkennt aus unserer Sicht den kausalen Zusammenhang, da die Absage sehr wohl im Zusammenhang mit der Situation im Roten Meer zu tun hat", erklärt die Reederei. Die weitere Entwicklung dürfte in der Branche aufmerksam verfolgt werden. Denn sollte die Einschätzung des Rostocker Gerichts in den Folgeinstanzen bestätigt werden, dürften weitere Klagen zur selben Thematik folgen.
Christian Schmicke