9. November 2021 | 12:58 Uhr
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Wie der touristische Nachwuchs auf die Klimakrise reagiert

Unter den Studierenden sei das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Änderung des Reiseverhaltens ausgeprägt, sagt Professor Harald Zeiss (Foto), der an der Hochschule Harz Tourismus-BWL mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit lehrt. Zugleich stelle der Klimawandel die Nachwuchstouristiker vor ein Dilemma.

Zeiss Harald

Viele junge Leute, die seine Vorlesungen besuchten, seien im Hinblick auf die Folgen des Klimawandels sehr betroffen und nähmen das Thema ernst, sagt Zeiss im Gespräch mit Reise vor9. Zugleich seien sie aber auch "sauer, auf das, was in der Vergangenheit geschehen ist". Wegen des CO2-Abdrucks, den die Älteren nicht zuletzt durch häufiges Fliegen und Fernreisen hinterlassen hätten, müsse sich die nachfolgende Generation einschränken. "Das ist so, als wenn Du zwei Stunden zu spät zum Büffet kommst und feststellst, dass andere vor Dir schon einen großen Teil der Torte weggeputzt haben", beschreibt der Hochschullehrer das Stimmungsbild.   

Wer Tourismus studiere, habe natürlich den Wunsch, die Welt zu entdecken, sagt Zeiss. Viele der Studierenden seien vor ein paar Jahren noch ganz klassisch mit Work-and-Travel-Aufenthalten in Australien oder Neuseeland gestartet und müssten jetzt feststellen, dass gerade Fernreisen in Zukunft nicht mehr so als Selbstverständlichkeit wahrgenommen würden wie bisher.

Problembewusstsein trübt die Freude

"Reisen ist wunderschön und bereichernd, und der Kontakt und das Kennenlernen anderer Kulturen ist durch nichts zu ersetzen", führt der Tourismusexperte, der bis 2016 das Nachhaltigkeitsmanagement bei TUI verantwortete, an. Doch trübe das Bewusstsein um die Folgen des durch Flüge verursachten CO2-Ausstoßes den Genuss. Dabei sei ihm klar, dass es ihm, der in der Vergangenheit mehrmals um die Welt geflogen sei, leichter falle, auf Fernreisen zu verzichten als jungen Menschen.

Das Reiseverhalten gerate zunehmend unter Rechfertigungsdruck, sagt Zeiss. "Wenn sich Menschen gegenüber ihrem Umfeld für ihre Reisen in die Ferne rechtfertigen müssen, macht das keinen Spaß“, so der Hochschulprofessor. So habe er selbst erlebt, dass die viertägige Reise des Deutschen Reiseverbandes DRV mit rund 400 Touristikern zu seiner Jahrestagung nach Griechenland im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis sehr kontrovers diskutiert worden sei.

Neue Trends auf dem Vormarsch

Zeiss geht davon aus, dass die Klimakrise und das Bewusstsein um die dramatischen Folgen steigender Temperaturen nach und nach auch das Reiseverhalten der breiten Masse beeinflussen werde. "Historisch gesehen hat die Masse die Elite immer kopiert", weiß er. Das werde sich in neuen Trends niederschlagen: Mit weniger, dafür vielleicht längeren Fernreisen, einer bewussteren Wahl der Verkehrsmittel und Reiseziele und einem Trend zu authentischen Erlebnissen.

Dass der Zeitgeist das Reisen und die Touristik ins Abseits drängen wird, glaubt Zeiss gleichwohl nicht. Die nachfolgende Generation werde ihr Reiseverhalten zwar kritischer reflektieren und das Verhältnis von Kosten und Nutzen neu gewichten, sagt er. So könnten Fernreisen teurer und seltener, dafür aber länger werden, und erdgebundene Reisen wieder stärker in den Vordergrund rücken. Sein Tipp: Gerade im Inland und den europäischen Nachbarländern, die selbst starke touristische Quellmärkte mit erheblicher Kaufkraft sind, könnten sich Investitionen in das touristische Angebot jetzt lohnen.

Christian Schmicke

Weitere Ansichten und Einsichten zu Tourismus und Klimawandel hören Sie im aktuellen Reise vor9 Podcast mit Harald Zeiss. Einfach reinhören:

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