So gelingt die erfolgreiche Übergabe des Unternehmens
Viele Reiseunternehmer stehen vor der Herausforderung, ihr Unternehmen an die nächste Generation zu übergeben. Der Prozess ist komplex, emotional und erfordert eine sorgfältige Planung. Wibke Rissling-Erdbrügge, Trainerin und Coach für Touristiker, erklärt, welche Stolpersteine es gibt – und wie sie sich vermeiden lassen.

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Eine erfolgreiche Nachfolge passiert nicht von selbst
Schätzungen zufolge werden in den kommenden Jahren rund 20 Prozent der Reiseunternehmen in Deutschland altersbedingt vererbt oder verkauft. Doch eine erfolgreiche Nachfolge passiert nicht von selbst. Sie erfordert Planung, Kommunikation und die Bereitschaft, Verantwortung zu teilen. Wer den Übergang rechtzeitig und strukturiert angeht, kann seinem Unternehmen und seinen Nachfolgern den bestmöglichen Start in die Zukunft ermöglichen. Wibke Rissling-Erdbrügge erklärt, wie der Prozess erfolgreich gestaltet werden kann und listet die fünf wichtigsten Aspekte auf.
1. Das unsichtbare Wissen – Erfahrungsschatz sichern
Über Jahre hinweg hat sich eine Fülle an Wissen angesammelt, die oft nur in den Köpfen der Unternehmer steckt. Für die Nachfolger kann dieser Mangel an dokumentierten Abläufen eine große Herausforderung sein.
Lösung:
Damit wertvolles Wissen nicht verloren geht, sollte eine strukturierte Wissensweitergabe stattfinden. Eine Einarbeitungsphase mit klar definierten Meilensteinen hilft dabei, den Übergang schrittweise zu gestalten. Ein persönliches „Wissensinterview“ kann ebenfalls sinnvoll sein: Die scheidende Führungskraft wird gezielt befragt, um Erfahrungen, Entscheidungsprozesse und Insider-Wissen zu dokumentieren.
2. Das Netzwerk – Vertrauen aufbauen
Ein eingespieltes Netzwerk aus Geschäftspartnern, Kunden und Dienstleistern ist über Jahre gewachsen und oft eng mit der Person des Unternehmers verbunden. Für den Nachfolger bedeutet das, sich dieses Vertrauen erst erarbeiten zu müssen.
Lösung:
Ein geplanter Übergang ist entscheidend. Der bisherige Unternehmer sollte seine Nachfolgerin oder seinen Nachfolger persönlich bei wichtigen Geschäftspartnern vorstellen und in Gesprächen unterstreichen, dass die Nachfolge gut vorbereitet ist. Auch eine offizielle Empfehlung in einem Newsletter oder einer E-Mail an das Netzwerk kann dabei helfen, den neuen Ansprechpartner im Unternehmen zu etablieren.
3. Verantwortung abgeben – der emotionale Balanceakt
Für viele Unternehmer ist die Abgabe von Verantwortung eine der größten Hürden. Die Sorge, dass Nachfolger Fehler machen oder Entscheidungen anders treffen, kann zu Unsicherheiten führen und den Übergangsprozess verzögern.
Lösung:
Offene Kommunikation ist essenziell. Klare Absprachen und ein festgelegtes Sicherheitsnetz – etwa durch eine beratende Rolle nach der Übergabe – können beiden Seiten helfen. Wichtig ist dabei, dass die scheidende Führungskraft nicht in das Tagesgeschäft eingreift, sondern nur im Bedarfsfall Unterstützung bietet.
4. Die eigene Identität – wer bin ich ohne mein Unternehmen?
Ein Unternehmen zu führen ist mehr als nur ein Job – es ist oft ein zentraler Teil der eigenen Identität. Viele Unternehmer fragen sich: Was kommt nach der Übergabe?
Lösung:
Der Wechsel kann eine Chance für neue Projekte oder private Interessen sein. Wer sich frühzeitig mit seinen Plänen für die Zeit nach der Übergabe beschäftigt, kann den Übergang positiver gestalten. Auch ein professionelles Coaching kann helfen, den Abschied aus der aktiven Rolle reflektiert anzugehen.
5. Unklare Übergabe – wenn die Nachfolge im Sande verläuft
Eine der größten Stolperfallen ist ein fehlender Zeitplan. Wenn nicht klar geregelt ist, wann die neue Führungskraft welche Verantwortung übernimmt, bleibt die Übergabe oft vage – und zieht sich über Jahre hin.
Lösung:
Ein verbindlicher Zeitplan mit klar definierten Übergabeschritten ist unerlässlich. Die Übernahme einzelner Verantwortungsbereiche sollte in Etappen erfolgen – und schriftlich fixiert werden. So wird vermieden, dass sich der Prozess in die Länge zieht.
Fazit: Unternehmensnachfolge mit Struktur und Vertrauen
Die Übergabe eines Unternehmens ist ein vielschichtiger Prozess, der sorgfältige Planung, klare Kommunikation und Verbindlichkeit erfordert. Wer frühzeitig Hürden identifiziert und aktiv angeht, schafft eine solide Grundlage für eine erfolgreiche Nachfolge. Und nicht zuletzt: Loslassen bedeutet nicht, alles zu verlieren – sondern den Weg für neue Chancen zu ebnen.
Über die Autorin:
Wibke Rissling-Erdbrügge von WRE Training für Touristiker ist seit 20 Jahren Trainerin, E-Learning-Expertin und Coach für Reiseunternehmen. In Zusammenarbeit mit Counter vor9, Reise vor9 und Hotel vor9 veranstaltet sie die monatliche kostenlose E-Learning-Reihe Fit in 30 Minuten.