"Weniger Verbote, mehr Bewusstsein"
Susanna Sciacovelli (Foto) ist seit dem vergangenen Jahr auf Mallorca Inselratsdirektorin für die touristische Nachfrage. Im Gespräch mit Reise vor9 verrät sie, was sich im Verhältnis zwischen Besuchern und Einheimischen ändern soll.
Sciacovelli ist schon länger auf der politischen Bühne aktiv. Die in den Niederlanden aufgewachsene Italienerin war Leiterin der balearischen Tourismusbehörde Ibatur und arbeitete später für Airberlin, den Low-Cost-Carrier Vueling und das Reiseunternehmen Viajes Corte Inglés. Seit Mitte 2023 ist sie Inselratsdirektorin für touristische Nachfrage und Hospitality und stellvertretende Geschäftsführerin der für die Tourismusförderung zuständigen Fundació Mallorca Turisme. Sie versteht sich selbst nicht unmittelbar als Vertreterin der amtierenden rechts-konservativen Inselregierung, wurde allerdings nach deren Wahl ins Amt berufen. In ihrer Rolle will sie für ein besseres Miteinander von Bewohnern und Gästen der Insel sorgen.
Appelle statt Vorschriften
Anders als die Vertreter der Vorgängerregierung hält Sciacovelli ständig neue Vorschriften zur Eindämmung von Exzessen, touristischen Massen oder Kreuzfahrtanläufen nicht für das Mittel der Wahl, um eine bessere Integration des touristischen Sektors in das Leben der Baleareninsel zu erreichen. Es gehe nicht so sehr um die reine Anzahl an Menschen, sondern eher um das Verantwortungsbewusstsein jedes einzelnen, sagt sie im Gespräch mit Reise vor9. Wenn es gelinge, dass mehr Touristen den öffentlichen Nahverkehr nutzten, Wertstoffe recycelten, Wasser sparten und die Insel wertschätzten, sei schon viel gewonnen.
Das "Mallorca-Versprechen" soll helfen
Mit der in den vergangenen Jahren häufig zu hörenden Unterscheidung von Massen- und Qualitätstourismus kann die Inselratsdirektorin wenig anfangen. Für sie seien alle auf der Insel willkommen, die sich respektvoll verhielten, sagt sie. Um letzteres zu fördern, wirbt die Insel mit der Aktion "Mallorca Pledge" – "Mallorca-Versprechen" – dafür, pfleglich mit dem Reiseziel Mallorca umzugehen. Besucher sollen so vor, während und nach der Anreise darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Ressourcen auf Mallorca knapp und das ökologische Gleichgewicht empfindlich ist. Zudem würden sie zum Mitmachen aufgerufen, zum Beispiel in Bezug auf die Einsparung von Wasser, Mülltrennung oder Recycling. Darin seien die Deutschen ohnehin Vorreiter, sagt Sciacovelli.
"Irgendwann finden die Botschaften Gehör"
Die erfahrene Touristikerin ist sogar optimistisch, dass sich Exzesse von Sauftouristen auf diesem Weg reduzieren lassen. Wenn Urlauber die entsprechenden Botschaften oft genug hörten, fänden sie irgendwann auch Gehör. Mit der Kampagne solle niemandem verboten werden, Spaß zu haben. Vielmehr gehe es darum, das Zusammenleben von Einheimischen und der zahlreichen Urlauber zu steuern und nachhaltig zu gestalten. Das Marketing für Mallorca solle künftig nicht der Gewinnung zusätzlicher Gäste dienen, sondern einer einheitlichen Botschaft. Zudem solle die Saison möglichst weit gestreckt werden und deutlich früher beginnen – etwa im Februar oder März, sagt Sciacovelli.
Mit den Einnahmen aus der Touristensteuer, der Ecotasa, sollten Projekte gefördert werden, die sich auf Nachhaltigkeit, die Anpassung der Infrastrukturen, die Modernisierung touristischer Zonen, Ausbildungszentren sowie kulturelle und sportliche Projekte zielen, um das Urlaubsgeschäft auf den Balearen-Inseln saisonal zu entzerren, sagt die Inselratschefin. Pro Jahr geht es dabei immerhin um 350 Millionen Euro.
Christian Schmicke