Nur der Mangel an Mietwagen bremst den Kanada-Boom
Im kommenden Sommer ist Urlaub in Kanada gefragt wie selten zuvor. Doch nicht alle, die das zweitgrößte Land der Erde jetzt erkunden wollen, bekommen diesen Wunsch erfüllt. Denn Mietwagen und Wohnmobile sind in der Hochsaison ausgebucht, aber für das Kanada-Geschäft in Deutschland ein Muss. Auch steigende Preise könnten den Boom abschwächen.
Darauf haben die Kanada-Reiseveranstalter lange gewartet. Kaum waren die Grenzen wieder offen, flatterten die ersten Buchungen rein. Und spätestens nach der Aufhebung der Testpflicht gab es kein Halten mehr. "Wir stehen heute besser da als 2019", sagt Tobias Büttner, Geschäftsführer von CRD Touristik. Auch die großen Anbieter DER Touristik, FTI und TUI berichten auf der Fachmesse Rendezvous Canada in Toronto von einer starken Nachfrage, auch wenn das Niveau vor der Pandemie bei den meisten noch nicht erreicht ist.
Sechs Millionen Deutsche träumen von Kanada
Der Run auf Kanada deckt sich mit dem Ergebnis einer Umfrage, wonach sechs Millionen Deutsche in den nächsten zwei bis drei Jahren einen Urlaub in Kanada ins Auge fassen. Vor der Krise flogen zuletzt 420.000 Deutsche in einem Jahr nach Kanada. Rupert Peters, Europa-Chef von Destination Canada, macht darin ein riesiges Potenzial aus. Das sieht auch Kanadas neuer Tourismusminister Randy Boissonnault und legt die Latte hoch. "Frankreich generiert acht Prozent seiner Wirtschaftsleistung aus dem Tourismus, Kanada zwei Prozent. Diese Lücke wollen wir schließen.“
Die gegenwärtige Nachfrage in Deutschland spielt dem Minister dabei in die Hände. Doch das Comeback nach der Pandemie hat einige Haken. Denn es gibt einige Herausforderungen, die die Reiseveranstalter ausbremsen. Das größte Problem ist der Mangel an Mietwagen und Wohnmobilen. "Es gibt keine Autos mehr", sagt SK-Touristik-Geschäftsführer Rainer Schoof und alle anderen Kanada-Veranstalter stimmen in das Klagelied ein.
Veranstalter können kurzfristige Nachfrage nicht befriedigen
Die Veranstalter könnten kurzfristig für den kommenden Sommer noch viel mehr Kanada-Reisen verkaufen, wenn es noch Mietwagen und Wohnmobile gäbe. Doch die sind knapp, bestätigt Cory Kauffmann von Cruise America, dem größten Anbieter von Wohnmobilen in Nordamerika. Währen der Krise habe man die Flotte um 20 Prozent auf 4.000 Fahrzeuge verkleinert. Jetzt kämen die bestellten Neuwagen wegen Lieferproblemen der Hersteller nicht bei.
„Es fehlen die Chips für die Chassis“, sagt Kauffmann. Dass gar nichts geht, will er aber nicht so stehen lassen. Im Spätsommer und im Herbst gebe es durchaus noch verfügbare Wohnmobile. Auch sieht er Chancen für kurzfristige Verfügbarkeiten. „Wir bekommen laufend bestellte Neuwagen ausgeliefert, wir können aber nie genau vorhersagen, wann.“
Abgesagte Flüge sorgen für Ärger
Kapazitätsengpässe gebe es auch bei Hotels, sagt Canusa-Chef Tilo Krause-Dünow. Wegen Personalmangels hätten einige Häuser ganze Etagen stillgelegt. Krause-Dünow ärgert sich zudem über Eurowings Discover, die wenige Wochen vor dem Start die Verbindung nach Calgary wieder gestrichen haben. Jetzt müssten alle Buchungen noch einmal händisch angefasst und das Ganze manuell abgearbeitet werden.
Flugkapazität gebe es aber trotz des Wegfalls der Calgary-Flüge von Eurowings genug, sagt Air-Canada-Manager Frank Hartung. Auch deshalb, weil andere Märkte, die Kanada-Flüge von Frankfurt und München füllen, offenbar länger für den Neustart brauchen. Die schnelle Erholung in Deutschland habe ihn überrascht. Die Buchungen für die Sommermonate liegen laut Hartung sogar fünf Prozent über 2019.
Preisschub könnte Nachfrage ausbremsen
Ob die Erfolgsgeschichte von Kanada von Dauer ist, da sind sich die Reiseveranstalter nicht sicher. „Die Preisentwicklung ist eine Herausforderung“, weiß Florian Renner, Nordamerika-Chef von FTI und die anderen pflichten ihm bei. Die Flugtarife steigen rapide an, die Preise für die knappen Mietwagen ebenso. Dazu kommt die Inflation vor Ort und der derzeit ungünstige Umtauschkurs macht alles für Urlauber noch ein bisschen teuer.
Gegenwärtig seien die steigenden Reisepreise noch kein Thema, sind sich die Veranstalter einig. Die Leute hätten zwei Jahre verzichtet und seien bereit, den Preis zu bezahlen. Ob das irgendwann kippt, weiß niemand. „Der Wechselkurs könnte zum Killer werden“, glaubt CRD-Chef Büttner. So richten sich die Blicke der Veranstalter bereits auf 2023. Im nächsten Jahr werde sich die Situation normalisieren und entspannen, glauben die Anbieter. Auch bei den Preisen, so die Hoffnung.
Thomas Hartung