Günstig mit dem Zug durchs vereinte Europa
Am 1. März feiert Interrail den 50. Geburtstag. Bereits ein halbes Jahrhundert lang lassen sich mit den Bahn-Pauschaltickets zum Festpreis die Länder in Europa auf Schienen erkunden. Auch immer mehr Ältere und Senioren wagen diese ungewöhnliche Reiseform. Das zeigen die neuen Zahlen.

Deutsche Bahn
Interrail eröffnet nicht nur jungen Leuten eine günstige Möglichkeit zu ausgedehnten Zugreisen
Es sollte eine einmalige Werbeaktion sein: Im Frühjahr 1972 bekamen Jugendliche erstmals das befristete Angebot, zum günstigen Pauschalpreis einen Monat lang mit der Bahn in anderen Ländern Europas unterwegs zu sein. Der Interrail-Pass wurde schnell ein Erfolg, später für jede Altersgruppe angeboten und so zum Dauerbrenner. Viele Millionen Reiselustige sind mit den Pässen inzwischen auf Tour gegangen, darunter immer mehr Familien mit Kindern und Senioren. Interrail ist Vorbild für zahlreiche Pauschalangebote wie das Deutschlandticket.
"Eine der besten Ideen Europas"
Auch Richard Lutz erinnert sich gerne an eigene Touren in jungen Jahren. Man kehre "mit übervollem Herzen heim", schwärmte der Chef der Deutschen Bahn AG zum 50-jährigen Interrail-Jubiläum. Das Ticket sei "eine der besten Ideen Europas", stehe für besondere Erlebnisse, verbinde Menschen und Kulturen. Und auch der Wunsch nach aktivem Klimaschutz motiviere Reisende, die Bahn zu nutzen. Besonders in Deutschland: Die Bundesbürger kaufen die meisten Interrail-Pässe, gefolgt von den Briten, Schweizern, Holländern und Schweden.
Interrail ist eine gute Idee für alle, die Europa umweltschonend auf der Schiene erkunden wollen. Die unterschiedlichen Pauschaltickets zum Festpreis, Globalpass genannt, gelten zeitlich begrenzt in 33 Ländern vom Nordkap bis Sizilien, von Lissabon bis zum Bosporus. Anders als in den ersten Jahrzehnten, als der Eiserne Vorhang den Kontinent trennte, kann man heute auf teils hochmodernen Schienennetzen grenzenlos, flexibel und schnell die schönsten Städte und Regionen erkunden. Mehr als 30.000 Ziele sind erreichbar. Voriges Jahr am beliebtesten: Berlin, Wien, Hamburg, Mailand und Zürich.
746.000 Interrail-Pässe europaweit verkauft
Inzwischen nutzen jedes Jahr mehr als eine Million Reisende die Angebote. Im vergangenen Jahr wurden europaweit 746.000 Interrail-Pässe an Europäer verkauft. Das sind zwar 51.000 weniger als 2023. Doch damals sorgte das Ende der Pandemie-Beschränkungen für einen Boom und ein Wachstum von 25 Prozent. Bei der Eurail B.V. ist man daher mit dem Ergebnis auf weiter hohem Niveau zufrieden. Das holländische Unternehmen in Utrecht organisiert die Vermarktung und gehört gemeinsam 35 Bahnunternehmen und Fährgesellschaften, die das Angebot anerkennen.
Verkauft wurden voriges Jahr zudem 403.000 Eurail-Pässe, die für Kunden mit Wohnsitz außerhalb Europas erhältlich sind, um den Kontinent mit der Bahn zu bereisen. So entstand einst das erste Angebot: Schon 1959 gab es den ersten Eurail-Pass, der es US-Amerikanern ermöglichte, mit einem Pauschalticket in zunächst 13 Ländern die Züge zu nutzen, ohne sich durch den Tarifdschungel der vielen nationalen Bahnen quälen zu müssen. Erst 13 Jahre später folgte Interrail, zunächst begrenzt auf junge Europäer bis 21 Jahre und einen einzigen Pass für 21 Länder.
Stetige Erweiterung
Das Interrail-Angebot wurde seither vielfach erweitert. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs wurden die Länder Osteuropas einfacher erreichbar, später kamen Länder- und Zonenpässe dazu und die Altersgrenze fiel weg. Für Senioren und Jugendliche gibt es die Tickets günstiger und schon seit 2007 können die Angebote online gebucht werden. Die gemeinsame Webseite www.interrail.eu aller beteiligten Bahnen ist inzwischen der wichtigste Vertriebskanal und seit Herbst 2020 gibt es auch ein bequemes Handy-Ticket, den Mobile Pass. 2024 waren bereits 88 Prozent der Interrail-Nutzer und sogar 98 Prozent der Eurail-Reisenden damit unterwegs.
Rail Planner erleichtert die Buchung
Die Branche hofft, mit den praktischen Handy-Pässen und verbesserten internationalen Zugverbindungen auch möglichst viele Globetrotter, die lieber per Billigflieger in alle Welt jetten, wieder mehr für nachhaltigeres Reisen auf der Schiene begeistern zu können. Nacht- und Hochgeschwindigkeitszüge kann man mit Interrail ebenfalls nutzen, allerdings muss vorher teils noch umständlich reserviert und meist zugezahlt werden. Die Kontingente sind zudem begrenzt und wer einen Platz im beliebten Eurostar haben will, der Paris, Brüssel und London durch den Eurotunnel verbindet, sollte rechtzeitig buchen
Wer sich Zuschläge sparen will, nutzt Fern- und Regionalzüge ohne oder mit geringerem Zuschlag. Anders als früher müssen Interrailer für die beste Route nicht mehr dicke Kursbücher und komplizierte Fahrpläne studieren, sondern können mit Smartphone und Apps komfortabel die nächste Reise auch sehr kurzfristig planen und buchen. Wer den "Rail Planner" auf sein Smartphone lädt, kann damit Verbindungen und Fahrzeiten checken, Sitze reservieren, gute Tipps mit anderen Reisenden austauschen und Rabatte bei Fähren oder Hotels bekommen.
Neue Zielgruppen
Das kommt auch bei Familien mit Kindern sowie Senioren offenbar gut an. Während allein voriges Jahr der Anteil der jungen Leute bis zu 27 Jahren bei Interrail-Pässen deutlich auf noch 52 Prozent gesunken ist, wagen immer mehr Best-Ager eine Kreuzfahrt auf Schienen statt auf dem Schiff, voriges Jahr stieg der Anteil der Senioren von zehn auf 14 Prozent. Denn für eine längere Auszeit und rüstige Rentner sind die Pauschalangebote besonders interessant.
Im Schnitt sind Interrailer knapp 2.800 Kilometer mit ihrem Pass unterwegs und nutzen elf Züge. Gereist wird vor allem im Sommer und zu Zielen in Süd-, Mittel- und Westeuropa. Wer kann, sollte die Nebensaison im Frühjahr und Herbst nutzen, überlaufene Ziele besser meiden und auch langsamere Züge auf landschaftlich interessanteren Routen nutzen – dann kann die Interrail-Reise zum Erlebnis werden, das man gerne wiederholt.
Thomas Wüpper