22. Juli 2024 | 14:48 Uhr
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Was ein Aus der Meyer Werft für die Kreuzfahrt heißen würde

Ein aktuelles Gutachten für das niedersächsische Wirtschaftsministerium hat die krisengeschüttelte Meyer Werft für sanierungsfähig erklärt. Der Bund will zudem für einen Exportkredit für den Neubau der hochverschuldeten US-Reederei Carnival Cruises bürgen. Aber welche Folgen hätte ein Aus für die Werft für die Kreuzfahrtbranche? Reise vor9 hat dazu recherchiert.

Meyer-Werft Papenburg

Die Meyer Werft in Papenburg ist in Nöten

Die für den Bau von Kreuzfahrtschiffen bekannte Werft steckt in der schwersten Krise ihrer Geschichte. Zwar hat sie derzeit Aufträge bis 2028. Doch waren diese zum Teil vor der Corona-Pandemie abgeschlossen worden. Im Zuge der Corona-Pandemie waren die Aufträge in Absprache mit den Reedereien zeitlich gestreckt worden; eine Anpassung an die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine erfolgte aber nicht. Die Werft erhält nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung rund 80 Prozent des Kaufpreises erst bei der Ablieferung und muss den Bau mit Krediten zwischenfinanzieren. So entstand eine Lücke, die sich auf rund 2,8 Milliarden Euro summierte.

Das am Freitag veröffentlichte, positive Gutachten eines externen Sanierers gibt der Meyer Werft Hoffnung. Denn es ist ausschlaggebend dafür, ob Bund und Land die Werft künftig finanziell unterstützen – was nun wohl der Fall sein wird. Der NDR zitiert den SPD-Landtagsabgeordneten und langjährigen Betriebsratsvorsitzende der Meyer Werft, Nico Bloem, mit den Worten, das Gutachten zeige deutlich, dass das Geschäftsmodell der Werft zukunftsfähig sei. Das Sanierungsgutachten belege die grundsätzliche Sanierungsfähigkeit des Unternehmens. "Die Auftragslage und die Kundenstruktur sind stark und die Innovationskraft der Werft ist bei den Kunden höchst anerkannt", so Bloem.

Anfang Juli hatte sich die Geschäftsführung mit dem Betriebsrat und der IG Metall auf ein Restrukturierungskonzept geeinigt. 340 der mehr als 3.000 Stellen sollen demnach abgebaut werden. Ein Aufsichtsrat und ein Konzernbetriebsrat sollen geschaffen und der Unternehmenssitz wieder von Luxemburg nach Deutschland verlegt werden.

Vorreiter in Sachen Umwelttechnik

Ein Aus für die Werft hätte nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch für die Kreuzfahrtindustrie schwere Folgen, glaubt Kreuzfahrtexperte Thomas Illes. Der Neuen Osnabrücker Zeitung (Abo) sagte er, bei der Bewertung sei zu berücksichtigen, dass die Kreuzfahrt Innovationstreiber in Richtung dringender Themen wie Dekarbonisierung und Zero Emission für die gesamte Schifffahrt sei. Viele dieser innovativen Technologien seien in den letzten Jahren von der Meyer Werft gekommen: "Aus Papenburg kam mit der Aida Nova Ende 2018 das erste vollständig mit Flüssigerdgas (LNG) zu betreibende Kreuzfahrtschiff, ebenso die Kombination von Brennstoffzellen- und Batterietechnik und die Vorbereitung auf Methanol-Antrieb", erklärt der Schweizer gegenüber dem Blatt und weiter: "Mit Meyer würde man sehr viel Know-how für Deutschland und Europa verlieren."

Der Bau von Kreuzfahrtschiffen sei "hochkomplex", so Illes. Während in Asien "als Vorstufe zum Kreuzfahrtschiff" mittlerweile ein Großteil aller von europäischen Reedereien georderten Passagierfähren und RoRo-Schiffe gebaut würden, sei der Kreuzfahrtschiffbau noch eine europäische Domäne. "In China baut man zwar Highspeed-Züge, Passagierjets und fliegt ins All, aber große Kreuzfahrtschiffe zu bauen, ist in vielerlei Hinsicht komplexer", sagt Illes. Sollte die Meyer Werft wegfallen, hätten asiatische Werften "eine ganz andere Motivation, noch aggressiver und schneller in den Markt zu drängen". Dies würde den europäischen Schiffbau dann "weiter drastisch schwächen", glaubt der Experte.

In Europa sind neben der Meyer Werft noch die italienische Fincantieri-Gruppe mit Standorten in Marghera bei Venedig, Sestri Ponente bei Genua, Ancona und Monfalcone bei Triest und die französische Werft Chantiers d l‘Atlantique in Saint-Nazaire aktiv. Beide stehen unter staatlicher Beteiligung. Illes hofft daher, dass "die Politik es schafft, die Meyer Werft zu unterstützen und das Unternehmen so zu erhalten".

Christian Schmicke

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