17. Mai 2024 | 17:34 Uhr
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Stehen Züge zur Fußball-EM in Deutschland tatsächlich still?

Schon zu Beginn der Fußball-Europameisterschaft könnten Züge und Busse stillstehen, weil Lokführer und Fahrer fehlen. Das kündigten Konzernbetriebsräte der Bahn und der Eisenbahngewerkschaft (EVG) nach einem Krisentreffen mit DB-Chef Richard Lutz an. Sie fordern, dass Sicherheitskonzepte für die Beschäftigten in Zügen, Bussen und an Bahnhöfen verbessert werden, nicht nur zur EM-Zeit.

Bahn ICE 3 Foto iStock huettenhoelscher

Betriebsräte der Bahn warnen vor Personalengpässen zur EM

"Gewalt und Übergriffe gegen Mitarbeiter nehmen zu", sagte EVG-Vize Kristian Loroch nach dem Treffen. Die Corona-Zeit sei schon schlimm genug gewesen, seither habe es anders als erhofft keine Besserung gegeben. Nötig seien viel mehr Sicherheitskräfte, in Zügen und an Bahnhöfen müsse „die dauerhafte Doppelbesetzung zum Standard werden“. DB-Chef Lutz habe bisher lediglich für die EM-Zeit 900 zusätzliche Sicherheitskräfte zugesagt.

"Wir meinen es sehr ernst", betont Loroch. Ohne ausreichenden Schutz der Mitarbeiter vor Übergriffen würden künftig mehr Züge "ähnlich wie bei Streiks" stillstehen: "Wenn es nicht mehr Personal gibt, werden weniger Züge fahren." Die Arbeitnehmervertreter haben die Rechtslage dazu bereits prüfen lassen. Betriebsräte und Beschäftigte können demnach Einsatzplanungen verweigern, wenn die Sicherheit auf bestimmen Linien und an Einsatzorten nicht gewährleistet ist.

Durchdachte Sicherheitskonzepte gefordert 

Der am Montag zu lebenslanger Haft verurteilte Attentäter aus Palästina, der in einem Regionalzug in Schleswig-Holstein zwei Fahrgäste erstochen und weitere verletzt hat, sei nur ein Beispiel für die zunehmenden Übergriffe, betont Ralf Damde, Konzernbetriebsratschef bei DB Regio. Viel zu lange sei zum Beispiel über den Einsatz von Bodycams, also Kameras für Sicherheitsleute, nur debattiert worden.

"Die EM braucht durchdachte Sicherheitskonzepte, und zwar auch für unsere Beschäftigten", fordert Jens Schwarz. Der Gesamtbetriebsrats-Chef der DB AG, die allein in Deutschland rund 230.000 Mitarbeiter hat, erwartet bis zu 3 Millionen zusätzliche Fahrgäste in den Zügen während der vierwöchigen Fußball-EM, die an zehn Spielorten von Berlin über Hamburg, Dortmund, Frankfurt bis Stuttgart und München stattfindet. Zu den 51 Spielen werden Fans aus ganz Europa erwartet, Zugtickets gibt es vergünstigt und der DB-Konzern will viele Anhänger umweltschonend mit seiner Intercity-Flotte befördern.

Wachsende Bedenken 

Doch angesichts der Betriebsprobleme und Rekordverspätungen, die es im deutschen Schienenverkehr schon bisher gibt, wachsen bei Kritikern die Bedenken, dass mit dem Ansturm auf Züge und Stadien auch die Aggressionen noch zunehmen. Laut einer aktuellen EVG-Sicherheitsstudie, zu der 4.000 Mitglieder befragt wurden, haben bereits 82 Prozent der Beschäftigten Anfeindungen und Übergriffe erlebt, darunter 64 Prozent in den letzten zwölf Monaten. 63 Prozent gaben an, dass sie sich im Job teils deutlich weniger sicher fühlen als früher. 36 Prozent führen sich überhaupt nicht mehr sicher, 74 Prozent haben bereits verbale und 61 Prozent körperliche Bedrohung erlebt.

Betriebsratschef Damde verweist auf die teils chaotischen Zustände im Bahnverkehr in der letzten Woche. Schon ein Feiertag am Donnerstag habe zur Überlastung von Verbindungen geführt, mit der Folge, "dass Züge gestanden haben und teils sogar geräumt werden mussten". Auch mit Blick auf jüngste Ausschreitungen und Probleme bei Fußballspielen in den Bundesligen werde man die bisherigen Bewertungen der Gefährdung von Mitarbeitern bei der EM "in Frage stellen", betonen die Betriebsräte. Man wolle nun genau wissen, wo und wie zusätzliche Sicherheitskräfte eingesetzt werden, um Beschäftigte zu schützen. Es gehe aber auch darum, zum Beispiel an Endhaltestellen Toiletten für Busfahrer bereitzustellen, die zusätzliche Linien fahren sollen. Schon das scheine in manchen Regionen ein Problem zu sein.

Thomas Wüpper

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