"Die Hotellerie braucht echte Nachhaltigkeitsstrategien"
Viele Hotels setzen auf Nachhaltigkeit, aber wissen sie auch, wie sie das umsetzen, fragt Carlos Martin-Rios (Foto), Professor an der EHL Hospitality Business School in Lausanne. Die für Nachhaltigkeit verantwortlichen Personen seien oft leidenschaftliche Menschen, jedoch ohne Fachkenntnisse. Er warnt: "Gute Absichten allein reichen nicht."

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Carlos Martin-Rios fordert mehr Fachkenntnis bei Nachhaltigkeitsthemen
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Nachhaltigkeit ist in der Hotellerie ein viel genutzter Begriff – doch allzu oft bleibt es bei Absichtserklärungen. Carlos Martin-Rios sieht in vielen Hotelbetrieben ein grundlegendes Missverständnis. Die Branche reagiere auf Nachhaltigkeit, statt sich aktiv und strategisch darauf einzustellen.
"Gute Absichten reichen nicht"
Auf der ITB in Berlin sprach Martin-Rios gegenüber Hospitality Net über zentrale Fehlentwicklungen. Viele Hotels beschäftigten zwar Menschen mit großer Leidenschaft für Nachhaltigkeit. Doch oft fehle es diesen Personen an fundierter Ausbildung oder unternehmerischem Verständnis. "Gute Absichten allein reichen nicht", warnt der Wissenschaftler.
Gefahr von Greenwashing
Ein zentrales Problem sei Greenwashing. Etliche Hotels investieren in CO2-Ausgleichsmaßnahmen, ohne die langfristigen ökologischen Folgen zu prüfen. Manche Kompensationsprojekte würden die biologische Vielfalt sogar gefährden, statt sie zu erhalten. "Was gut aussieht, ist nicht immer gut für die Umwelt", so Martin-Rios.
Künstliche Intelligenz als zweischneidiges Schwert
Auch neue Technologien wie Künstliche Intelligenz bringen laut Martin-Rios Chancen und Risiken. Zwar könne KI Prozesse effizienter gestalten und Ressourcen einsparen. Gleichzeitig verursache der Betrieb solcher Systeme einen enormen Energieverbrauch. Nachhaltigkeit dürfe deshalb nicht nur in der Ergebnisrechnung, sondern müsse auch bei der Energie- und Infrastrukturplanung berücksichtigt werden.
Soziale Aspekte geraten ins Abseits
Besonders kritisch sieht Martin-Rios die Vernachlässigung der sozialen Nachhaltigkeit. Die zunehmende Automatisierung gefährde zahlreiche Arbeitsplätze im Hotelgewerbe – insbesondere solche, die gering qualifizierten Arbeitskräften Stabilität bieten. "Die sozialen Auswirkungen der Digitalisierung werden oft ignoriert", sagt er.
Strategie statt Symbolpolitik
Für die Zukunft fordert der Professor ein grundsätzliches Umdenken. Nachhaltigkeit müsse in die Unternehmensstrategie eingebettet werden, statt als Marketinginstrument oder isoliertes Projekt zu fungieren. Hotels dürften sich nicht auf kurzfristige Effekte oder einzelne Maßnahmen verlassen. Martin-Rios hofft, dass die Branche bis zur nächsten ITB echte Fortschritte macht: weniger verpasste Chancen, mehr langfristiges Denken. Seine Botschaft ist klar: Wer Nachhaltigkeit ernst nimmt, muss bereit sein, strukturelle Veränderungen vorzunehmen und das Thema zur Chefsache machen.