26. Juli 2019 | 07:00 Uhr
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Ancillaries-Hype wird für Airlines zum Risiko

Seit 2007 haben sich die Airline-Umsätze mit Zusatzleistungen versechzehnfacht, 2018 erzielten die Top-Ten-Airlines in Sachen Ancillaries rund 31,6 Milliarden Euro damit. Das ist gut für die Bilanzen, aber zugleich werden Qualitätscarrier, die ihre Basisleistungen immer weiter abspecken und Low-Cost-Airlines einander immer ähnlicher. Vor allem bei ersteren schadet die Ancillaries-Flut der Marke eher als ihr zu nützen.

Seit zwölf Jahren nimmt der Airline-Dienstleister Idea Works im Auftrag der Reisetechnologie-Plattform Cartrawler die Umsätze von 150 Airlines mit Zusatzleistungen unter die Lupe. Seither kennt die Umsatzkurve nur eine Richtung – steil nach oben. Diese Entwicklung wurde von der Airline-Industrie stets bejubelt und soll durch den neuen Datenstandard NDC weiter vorangetrieben werden. Doch mittlerweile warnen selbst die Analysten von Idea Works, die in der Vergangenheit die Umsatzsprünge der Ancillary-Verkäufe ausschließlich positiv bewerteten: "Zu viel des Guten könnte schädlich sein." 

Als Beispiel nennen sie ein Pop-up in der Buchungsstrecke von United, das Kunden, die den billigen Basic-Tarif buchen wollen, fragt: "Sind Sie sicher?" Wenn eine Fluggesellschaft vor den eigenen Tarifen warne, laufe etwas schief, folgern sie. Denn gerade bei den großen Netzwerk-Airlines sollten Zusatzleistungen das Reiseerlebnis verbessern. Stattdessen gehe es aber nur darum, frühere Leistungsbestandteile auszugliedern und dann gegen Aufpreis zu verkaufen. Das schade dem Markenimage, weil man sich von den Billigfliegern, die ihrerseits mit zahlungspflichtigen Extraleistungen und Vielfliegerprogrammen um Geschäftsreisende und Premiumkunden werben, kaum noch abheben könne. Bei jeder Revolution gebe es Entwicklungen, die man eines Tages bereue, so die Experten. In Sachen Ancillaries sei möglicherweise die Grenze dessen erreicht, was der Kundschaft zugemutet werden könne.

Vorerst aber bleibt der Hype ungebremst. Mittlerweile kratzt der Anteil der Ancillaries am Gesamtumsatz bei den ersten Carriern an der 50-Prozent-Marke. Der höchste Umsatzanteil in Europa und Russland war 2018 mit 41,1 Prozent bei Wizz Air zu verzeichnen, in Nord- und Südamerika mit 47,6 Prozent bei der mexikanischen Viva Aerobus sowie in Asien und dem Südpazifik mit 29 Prozent bei Air Asia. Den größten Zusatzumsatz pro Passagier erzielte in Europa die britische Jet2 mit knapp 40 Euro, jenseits des Atlantiks die Billiglinie Spirit knapp 46 Euro und in der Asien und Pazifik Virgin Australia mit 31 Euro.

Lufthansa steht im Ranking auf Platz sechs mit Zusatzumsätzen von knapp 2,4 Milliarden Euro, wovon geschätzt 32 Prozent aus dem Vielfliegerprogramm stammen. American Airlines erzielte 2018 mit 6,5 Milliarden Euro die höchsten Zusatzumsätze, gefolgt von United, Delta, Southwest und Ryanair. Die US-amerikanischen Fluggesellschaften bleiben damit in Sachen Ancillaries weltweit an der Spitze.

Christian Schmicke

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